38. Deutsch-französische Freundschaft
Marschälle, Prinzen und Könige in der Bürgerrepublik
Mit den französischen Truppen kam die politische und militärische Prominenz des Kaiserreichs nach Hamburg: Marschall Brune und Jean Baptiste Bernadotte, der Prinz von Pontecorvo. Senator Abendroth suchte Anschluss und warb um ihre Freundschaft.
Dies ist Teil 38 der Aufklärung in Hamburg: Johann Heinrich Bartels, Amandus Augustus Abendroth, Ferdinand Beneke und die Verbesserung ihrer Republik 1790–1835, which you can also read in English. Die Einleitung beschreibt, worum es geht, und wer einen Überblick über die bisher veröffentlichten Kapitel haben möchte, klickt bitte hier. Marschälle und Prinzen sprechen in diesem Text Französisch. Die deutschen Übersetzungen finden sich in den Fußnoten.
Seit der Ankunft der französischen Armee lebte die Republik Hamburg in direkter Abhängigkeit von den militärischen Autoritäten des Kaiserreichs. Anfang 1807 kam Guillaume Brune als Generalgouverneur der Hansestädte. Jenseits von Terror, Konsulat und Kaiserreich war er immer standfester Republikaner geblieben. In Hamburg war das auch kein Geheimnis. Georg Kerner, der in der revolutionierten Toskana vor Begeisterung vom Stuhl gefallen war, hatte sich mit ihm angefreundet, und versuchte jetzt, diese Beziehungen für Bremen zu nutzen. Smidt hatte ihn eigens zu diesem Zweck nach Hamburg geschickt.[1] Dr. Meyer von der Patriotischen Gesellschaft war ebenfalls im Bilde und behielt sein Wissen nicht für sich. Er berichtete in Hamburg über den Mut, den dieser General vor Jahren im jakobinischen Bordeaux gezeigt hatte: Öffnet eure Gefängnisse, hatte Brune dort kaltblütig von den Terroristen gefordert, die gerade ein Fest für die Göttin Vernunft feiern wollten und denen das Abstruse ihrer Unternehmung irgendwie nicht klar war. Brune klärte sie auf, was nicht ganz ungefährlich war. Wollt Ihr dieses Fest würdig, wollt Ihr es mit einer grossen Feierlichkeit begehen; wollt Ihr, dass alle Bordelesen sich dafür interessiren und euch segnen, so schliest Eure Kerker auf, befreiet fünfhundert Hausväter die jezt darin seufzen.[2]
Konnte dieser selbstbewusste Marschall Brune auch für Hamburgs Bürger etwas tun? Möglicherweise. Bonaparte hatte ihn 1802 als Botschafter nach Konstantinopel geschickt. Jetzt residierte er in Hamburg an den Großen Bleichen im Haus des verstorbenen Senators Günther.[3] Abendroth kannte die Räumlichkeiten und suchte den freundschaftlichen Kontakt. Es war seine Vorzugsstrategie und sie war unbedingt empfehlenswert, wenn man als Senator der Republik etwas erreichen wollte. Interessant war es zweifellos auch. Exbotschafter beim Herrscher aller Gläubigen des Morgenlandes traf man nicht jeden Tag. Aber natürlich ging es um Hamburg.
Die französischen Truppen kosteten viel Geld, in Hamburg und in Ritzebüttel, wo Kollege Martin Johann Jenisch sich gerade bemühte, das kleine Land vor dem Ruin durch Besatzung zu retten. Ihm empfahl Abendroth das gleiche Verfahren, wie er selbst es pflegte: Freundschaft, Verständnis und großzügig gestreute Beweise des Vertrauens. Sie werden es mir selbst eingestehen daß dies das einzige Mittel ist um zum Zwek zu kommen.[4] Aber das erforderte Fingerspitzengefühl. Es empfahl sich nicht zu weit zu gehen oder Unmögliches zu fordern. Jenisch hätte gerne die Zahl der in Ritzebüttel stationierten Truppen reduziert. Keine gute Idee, fand Abendroth, und besprach das Thema mit Brune. Das Ergebnis war überraschend: Der Marschall würde gerne Truppen wegnehmen, allein ich kann ihn unmöglich dazu überreden, ohne mich selbst zu compromittiren.[5]
Senator Abendroth wollte verlässlicher Gesprächspartner sein, auch und gerade für kaiserliche Marschälle, die sich mit den lokalen Gegebenheiten nicht so genau auskannten. Er berücksichtigte ihre militärische Rolle, ihren Einfluss, auch die Gefahren, denen sie sich aussetzten, wenn sie gewissen Wünschen entgegenkamen. Er berücksichtigte möglicherweise sogar die angespannten Beziehungen eines republikanischen Marschalls zu seinem Kaiser. Denn Brune war unvorsichtig. Kurze Zeit, nachdem er Hamburg verlassen hatte, nahm er die Kapitulation der Schweden auf Rügen für die französische Armee entgegen, nicht für die Armee seiner kaiserlichen und königlichen Majestät, wie es neuerdings zum obligaten hohen Stil gehörte.[6] Er fiel umgehend in Ungnade. Napoleon duldete keine republikanischen Demonstrationen, von Berufs wegen, als Kaiser.
Streitereien in diesem Stil konnten für Hamburg gefährlich werden. Der Marschall kann bey dem besten Willen es nicht wagen Truppen zur Erleichterung des Amtes – damit war Ritzebüttel gemeint – wegzunehmen, indem wenn etwas vorfallen würde was unangenehme Folgen hätte man sodann die Schuld auf ihn werfen würde der dies beordert.[7] Das war zu berücksichtigen. Also erging Order nach Ritzebüttel, die Nachbarschaft in Hadeln und Wursten an den Militärkosten zu beteiligen. Ob die Gefallen daran fand, steht dahin, auf jeden Fall sollte Ritzebüttel entlastet werden. Brune las den Brief Abendroth noch einmal vor, um Quertreibereien zu verhindern. Es ging vertraulich und humorvoll zu. Der Hamburger Senator würzte seine Ratschläge mit altrömischen Weisheiten, bis dat qui cito dat, meinte er aufmunternd zu Brune.[8] Und dann war da noch die Sache mit der Amtsehre. Auf meine Veranlassung nennt der Marschall Sie, das richtete sich wieder an Jenisch in Ritzebüttel, in seinen Briefen „Gouverneur“ als ein NotaBene damit der Herr General mit seinem bailli zu Hause bleiben mag.[9] Ein Hamburger Ratsherr sollte sich nicht als Dorfbürgermeister abkanzeln lassen, auch nicht von einem General, der an der Elbmündung das Kommando hatte. Abendroth war angetan und bat Brune, noch einmal nachzulegen, Notiz an Jenisch: Ich habe Brune, dessen Güte und Gefälligkeit ich nicht genug rühmen kann veranlast von neuem … zu schreiben damit die Sache nicht blos bey der Correspondenz bleibt, sondern würklich dem Amte die erforderliche Hilfe zukomt.[10]
Die Freundschaft mit dem französischen Marschall trug Früchte. Von Brune war selbst der Senat positiv überrascht, die guten Wünsche zum Abschied fielen jedenfalls ungewöhnlich herzlich aus. Veuillez nous permettre … de vous exprimer toute la joie que nous ressentons de la certitude de ne pas voir cesser les rapports que nous avons l’honneur d’avoir avec vous, et veuillez être persuadé que nous ferons toujours ce qui dépend de nous, pour conserver ces sentimens bienveillans dont vous avez bien voulu nous donner tant de preuves, et auxquels nous attachons le plus haut prix.[11] Das unterschrieben Bürgermeister und Senat der guten Stadt Hamburg im Mai 1807. Die Lübecker Kollegen kannten gar kein Halten mehr. Mit tiefer Verbeugung ehrten sie Marschall Guillaume Brune als ihren héros vaillant autant que sensible et humain,[12] als ihren zugleich tapferen, aber auch feinfühlenden und menschlichen Helden.
Die Herren wussten, was sie an Brune hatten, und hofften weiter auf ein gutes Wort von ihm an höherem Ort. Immerhin hatte er souverän geholfen, die Kontinentalsperre geschmeidig den kommerziellen Bedürfnissen vor Ort anzupassen.[13] Aber das wusste oder ahnte man eben auch in Paris. La vente de ces marchandises est aussi facile à Hambourg qu’à Londres, so hieß es dort in einem Behördendossier. Und wer schuld war, wusste man auch: On ne peut se dissimuler que c’est au maréchal Brune … à qui l’on doit s’en prendre à toutes les dilapidations qui ont eu lieu ou du moins d’une très grande partie.[14] Dem frisch eingetroffenen Zolldirektor Eudel, der für Ordnung sorgen sollte, teilte Brune unmissverständlich mit, England sei der Feind, nicht Hamburg. Hamburg sei zwar militärisch besetzt, aber ein befreundetes Gemeinwesen. Das wollte er diesem Bürokraten einmal nahebringen. C’est vous dire combien vous devez mettre d’équité et de circonspection pour tout ce qui intéresse les propriétés autres que celles des Anglais.[15] Äußerste Umsicht und Rücksicht also mit allem nichtenglischen Eigentum. Dann versetzte er ihn nach Stade, wo er weniger Schaden anrichten konnte.
Brunes Nachfolger war Jean Baptiste Bernadotte, Marschall und Prinz von Pontecorvo. So wurde er in Hamburg gesprächsweise auch genannt – der Prinz.[16] In den Tuilerien hing sein Bildnis im Saal der Marschälle, schön wie der Gott Mars sah er darauf aus. Madame Pauline, Fürstin zur Lippe und später Badegast bei Dr. Abendroth in Ritzebüttel, war schwer beeindruckt.[17] Bernadotte kam im Juli 1807 nach Hamburg und residierte standesgemäß vor der Stadt im geräumigen Landhaus Caspar Voghts in Flottbek. Als er auftauchte, wusste niemand genau, welche Rolle er spielen würde. Gerüchte breiteten sich aus, die möglicherweise auf Brune zurückgingen. Mit Konkurrenz unter den französischen Militärs war immer zu rechnen. Außerdem zweifeln die Umgebungen des Brune nicht daran, so hatte Dr. Bartels es gehört daß Bernadotte nicht Gouverneur werden werde, wenn nicht anders der Friede mit England vorher zu Stande kommt.[18] Falsch gezweifelt, Frieden mit England war nicht in Sicht, trotzdem wurde Bernadotte Gouverneur.
Es wurde weiter geraten. Das Vertrauen des Prinzen scheint sein chef de l’état major zu haben. Er heißt Général Gerard.[19] Bartels gab es sofort nach Bremen weiter. Für die Einschätzung der Verlässlichkeit französischer Verhandlungspartner konnte so etwas entscheidend sein. Auch bei Finanzverhandlungen, denn der Prinz kam nicht billig. Das galt für seine Anwesenheit und noch mehr für seinen Abschied, bei dem 200.000 Francs fällig wurden.[20] Bartels hatte sich um die Aufbringung dieser Summen zu kümmern. Dieser Senator stand dem freundschaftlichen Entgegenkommen skeptisch gegenüber, das sein Kollege Abendroth so frisch propagierte. Er liebte Erpressungen nicht und zeigte französischen Neuankömmlingen von hohem Rang gerne die kalte Schulter. So passierte es im September 1808 einem General der kaiserlichen Armee. Ich habe ihn noch nicht gesehen, ließ Senator Bartels wissen, da er keine Visiten gemacht hat, da es mein Grundsatz ist, solchen Leuten müsse man keine Avancen machen. Einer meiner Collegen, mit dem ich über diesen Punct nicht einstimmig denke, hat ihn besucht und darauf ist sogleich der Antrag von 400.000 frcs. für die Truppen um zu verhindern daß sie anhero kämen gemacht.[21] Der Kollege, mit dem er über diesen Punkt nicht einstimmig dachte, war möglicherweise Senator Abendroth, der ja sehr kontaktfreudig war.
Die ländliche Idylle in Flottbek verwandelte sich also für einige Zeit in ein militärisches Hauptquartier. Bernadotte liebte das gute Leben, redete mit dem scharfen Akzent Südfrankreichs und verbreitete Wohlwollen.[22] Das kam etwas überraschend, denn er war kein diplomatischer Leisetreter. 1798 in Wien hatte er auf dem Balkon seines Hauses die Trikolore hissen lassen. Die Wiener randalierten, versammelten sich in hellen Scharen, warfen zuerst die Fenster ein und setzten dann zum Sturm an. Man vermutete ein gezieltes Manöver Bernadottes zum Sturz des Staatskanzlers Thugut.[23] Ein paar Jahre später im Oktober 1804 ließ er auf Befehl Napoleons George Rumbold entführen, den englischen Botschafter in Hamburg. Bartels verhandelte in dieser Sache mit Karl Friedrich Reinhard, dem derzeitigen französischen Gesandten in Hamburg und Schwiegervater Georg Heinrich Sievekings. Er konnte ihn schon damals nicht ausstehen, ein Bär, der in der Zwischenzeit nicht liebenswürdiger geworden war. In frühern Zeiten hab ich viel mit ihm zu schaffen gehabt, besonders damals als Rumbold weggeholt ward.[24] So sein Rückblick aus den 1820er-Jahren. Bei diesem Personal konnte sich die Hamburger Republik auf Einiges gefasst machen.
Es kam besser, als gedacht. Bernadotte war beliebt, entgegenkommend und redselig, etwas unvorsichtig dabei. Auch er neigte zu republikanischen Ansichten, ließ Opposition gegen den Kaiser anklingen.[25] Das aber war eine heikle Sache, machte ihn angreifbar, zumal ein militärisches Desaster erster Ordnung auf sein Konto ging. 1808 waren ihm seine spanischen Truppen entlaufen – massenweise.[26] Senator Bartels berichtete nach Bremen. Man giebt die Zahl der entkommenen Spanier auf 14.000 an, welches mir aber unglaublich scheint. – Die Sache selbst mus für den Prinzen äußerst unangenehm seyn, und ich sehe nicht ein, wie er sein Benehmen dabei bei dem Kaiser wird entschuldigen können. Aus diesem Grunde könnte vielleicht dies Ereignis nachtheilige Folgen für uns haben.[27] Die Ungnade der Gouverneure in Paris konnte gefährlich werden. Die Politik erforderte mindestens Rücksicht und kluges Taktieren.
Dr. Abendroth, zu diesem Zeitpunkt Prätor und verantwortlich für die innere Sicherheit der Republik, schlug seine bewährte Strategie der Freundschaft ein und machte auch in diesem Fall keine schlechte Erfahrung. Der Prinz dankte persönlich, als der Senator sich Anfang 1809 auf den Weg nach Ritzebüttel machte, um seine neue Funktion als Gouverneur zu übernehmen. La manière dont la police de cette ville a été administrée, Vous fait le plus grand honneur, & tous vos concitoyens Vous doivent des remercimens pour les soins que Vous avez constamment apportés à tout ce qui intéressait l’ordre public.[28] Die öffentliche Ordnung war auf jeden Fall ein hohes Gut. Brüchig war sie, weil das Hamburger Volk gern randalierte, und seit 1789 war sie europaweit so sehr gefährdet, dass vielleicht nur das eiserne Szepter einer napoleonischen Militärmonarchie auf Dauer für Ruhe sorgen konnte.[29] Eine pessimistische Idee, Abendroth formulierte sie erst spät, Anfang 1831, nachdem eine zweite Welle der Revolutionen Europa erfasst hatte. Vielleicht gab schon die Hamburger Prätur Anlass, in etwas dunkleren Stunden darüber nachzudenken. Als Prätor leistete er seinen praktischen Beitrag zum kaiserlichen Projekt der europäischen Ruhe und die Hamburger Bürger hatten ihm dafür zu danken. Das jedenfalls die Ansicht des Marschalls Bernadotte.
Als Abendroth in Cuxhaven ankam, zeigte sich, dass er mit seinen Berechnungen über die Gefahr von zu wenig französischen Soldaten vor Ort Recht hatte.[30] Die Stadt wurde vorübergehend von mobilen Einheiten der englischen Blockadeflotte besetzt.[31] Die hatte sich unter dem Kommando von Lord George Stuart auf zwölf Schiffe vermehrt und im Morgengrauen des 8. Juli besetzten sie Ritzebüttel. Das Schiff des Lords hieß Aimable, ausgerechnet, eine Fregatte mit 32 Kanonen. Stuart hatte im Dienst der Royal Navy schon Japan, den Indischen Ozean und die amerikanische Pazifikküste gesehen. Militärisch tat sich nicht viel. Die Engländer waren bald wieder weg, viel Eigentum ebenfalls. Immerhin hatte sich die Kontinentalsperre kurz geöffnet. Eine Welle aus Zucker, Kaffee und weichen Baumwollstoffen ergoss sich von Helgoland aufs Festland. Und die französische Armee hatte erkannt, dass Ritzebüttel nicht ausreichend verteidigt werden konnte. Das hatte gerade noch gefehlt.
Wir leben hier in einer sehr ängstlichen Lage mein lieber College, schrieb Abendroth ein paar Tage später an Senator Johann Smidt in Bremen, was alle wichtigen Leute gleich gesagt haben, daß diese Art Landung bey uns nur das Unglück des kleinen Landes hervorgebracht habe, wird sich jetzt realisiren, wir werden eine schwere Garnison erhalten, und werden uns freuen müssen wenn alles nur damit zu Ende ist – Ich habe das sonderbahre Schiksahl seit 3 Jahren, daß allenthalben wo es am schlimmsten hergeht, mein Würkungskreis ist – Ich mag gar nicht mehr von den fatalen politischen Sachen sprechen.[32] Möglicherweise aber hatte Cuxhaven noch Glück gehabt. Abendroth vermutete einen Zusammenhang mit der englischen Landung auf der niederländischen Insel Walcheren, wo es ein paar Wochen später zu einer echten militärischen Katastrophe kam.[33] Von der blieben Zivilpersonen in der Regel nicht verschont. Dazu kam es an der Elbmündung nicht, obwohl in Hamburg Gerüchte kursierten, das Ziel der Expedition sei die Elbe, nicht die Schelde.[34] Aber die französische Militärpräsenz wurde wie erwartet verstärkt.[35]
Die Armee Napoleons befestigte Neuwerk. Die ganze Einwohnerschaft des Städtchens versammelte sich, um den Zug der kaiserlichen Armee durch das Watt auf die Insel zu beobachten. Es war ein bisher nie gesehenes Schauspiel auf dem Wall, die Truppen, Kanonen, Munitions-Wagen, Schlacht-Vieh, Wagen mit Lebens-Mitteln, die Arbeiter u.s.w einher ziehen zu sehen. Viele Einwohner hofften, hier eine Scene aus dem alten Testament von dem Durchzuge der Kinder Israels durchs rothe Meer und dem Unglück des Königs Pharao zu erleben.[36] Die Ritzebütteler erlebten es nicht, die Truppen des Pariser Pharaos versanken nicht in der Nordsee. Im Gegenteil, das Projekt wurde zu einem Erfolg. Napoleon selbst ließ sich über die Fortschritte der Arbeiten berichten und schickte überraschend Emissäre zur Kontrolle. Abendroth lernte die imperiale Regierungspraxis durch unmittelbare Beobachtung kennen. Sie war auch für französische Funktionäre nicht immer die reine Freude, so wie denn nie die Generäle und sonstige Angestellte sicher waren, nicht von solchen oft sehr unwillkommnen Gästen besucht zu werden.[37] Den einen oder anderen hatte er wohl mit Schweißperlen auf der Stirn gesehen. Aber das System schien zu funktionieren. Für die regierende Bürgerelite Hamburgs ein Zeichen: Der Zeit gelang den Franzosen Alles,[38] fasste Abendroth zusammen. Die Vorsehung sprach Französisch, die Sprache der Zukunft.
Diese Anschauungen teilten nicht alle. Parallel zu den Kämpfen in Cuxhaven kam es in Norddeutschland zu Erhebungen, eher Episoden, aber nicht ganz ungefährlich für die Republik. Es drohte Schill. Ferdinand Baptista von Schill rief im Frühjahr 1809 zum großen Befreiungskrieg gegen Napoleon auf. Er kam zwar nur bis Stralsund und der preußische König war mit diesem seiner Offiziere gar nicht einverstanden. Aber die nationale Aufregung war groß, die Befürchtungen der zivilen Verantwortlichen in den Rathäusern ebenfalls. Was würde passieren, wenn vaterländische Aufständische versuchen sollten, Hamburg einzunehmen und dabei auf französische Truppen trafen? Man konnte es sich ungefähr vorstellen, wenn man an Lübeck 1806 dachte. Kämpfe direkt in der Stadt waren das Letzte, was sich ein verantwortungsbewusster Senat wünschte.
Abendroth sprach vom Corps des braven, wenn gleich überspannten Majors Schill.[39] Das war 1818 in öffentlicher Rede, das ergänzende brav ließ sich zu diesem Zeitpunkt nicht vermeiden, 1809 hätte er sich auf überspannt beschränkt. Die Vernünftigen, die Gemäßigten, die Skeptiker und Gegner der nationalen Erweckung liebten diesen Begriff. Er brachte das Derangierte des Unternehmens so präzise auf den Punkt. Die Vaterländischen brachte er auf die Palme. Wüste Beschimpfungen folgten, in denen Anwürfe wie niedrigste Gemeinheit und Schmarotzer-Pflanze eine gewisse Rolle spielten. Dr. Beneke empörte sich. Wer die alte rauhe, energische Zeit zurückrufen wollte, hieß dem erschlafften Geschlechte ein Ueberspannter, und nur bey den Dichtern noch erhielt sich der Glaube an edleres Menschenthum.[40] Die Aufklärer und Verbesserer ahnten schon, dass mit dem erschlafften Geschlechte sie gemeint waren. Auf jeden Fall wünschten sie diesen überspannten Major so weit weg von Hamburg wie irgend möglich. Beneke hingegen war erschüttert, im Inneren ergriffen von diesem Ereignis von nationaler Tragweite, von dieser ungeheuren GroßThat.[41] Dass die öffentliche Meinung der Republik seine Ansichten über Schill nicht teilte, war ihm aber ebenfalls klar. LandesVerräther, Deserteur, überspannter Kopf, das sind die Prädikate, die man ihm beylegt.[42]
Senator Dr. Bartels konnte sich ein paar ironische Bemerkungen über das missgeleitete Unternehmen auch nicht verkneifen. Unter Freunden. Für die öffentliche Rede war so etwas ungeeignet. Aber Johann Ernst Friedrich Westphalen, frisch in den Rat gewählt, hatte für diese Art Humor einen ausgeprägten Sinn. Wir haben, carissimo mio, Bartels schrieb ihm in sichtlich guter Laune, hier gar nichts Unruhemachendes Neues. Vielmehr geht, wie ich glaube, das Drama das wir Schill seinetwegen aufgeführt haben zu seinem Ende. Die Nachricht die wir von ihm und seinem Verfolger haben ist diese: Gratien ist ehegestern mit seiner division in Lüneburg angekommen, woselbst sich Schill am Tag vorher sich aus den öffentlichen Cassen 4.000 Thlr hat geben lassen. … Der Chef unsrer Truppen glaubt daß Schill en retraite sur Wismar, Rostock oder Stralsund ist und behauptet, daß nun die inquiétudes des habitans de Hambourg bald geendigt seyn werden. Es scheint also, daß Senatus am gescheidtesten handelt, wenn er sich nicht weiter um Schill bekümmert, und daß daher die Herren Senatoren die Freuden ihres Grüns ganz unbesorgt genießen können.[43] Wie es scheint, war niemand vor dem verschärften Humor des Senators sicher, nicht der Rat mit seiner unschuldigen Vorfreude auf Frühlingsfeste und auch nicht Schill, der in bewährter Manier die Lüneburger Stadtkasse erleichtert hatte. Und die politische Quintessenz für die Entscheider der Republik? Schill ignorieren. Es war Realpolitik in ihrer realsten Form. Die Freunde der Nation bekamen apoplektische Anfälle. Märtyrer Tod riefen sie ergriffen, als das Unvermeidliche passiert war, für Deutschland gestorben und dann die Zukunftsperspektive, sein Name, und sein Blut werden dich wecken, Germania![44] Das war Ferdinand Beneke. Blutig war die Angelegenheit in der Tat. Der Kopf des toten Nationalkämpfers wurde per Express an König Jérôme Bonaparte von Westphalen geschickt.
Wie es mit Hamburg weitergehen sollte, war dadurch nicht geklärt. Im September 1809 schickte Napoleon Karl Friedrich Reinhard an die Elbe. Er sollte vor Ort über einen neuen Status der Hansestädte verhandeln. Villes impériales sollten sie werden, das war die neueste Idee des Kaisers, den Code civil einführen und ihre Bürgermeister von ihm selbst ernennen lassen. Im Gegenzug lockte er mit Erweiterung ihrer Gebiete und dem Ende der finanziellen Ausplünderung.[45] In Hamburg hatten die Verantwortlichen davon nur nebulöse Vorstellungen, eigentlich wussten sie gar nichts. Senator Bartels, der ja zu den Verantwortlichen gehörte, las die Zeitungen, wurde dadurch aber auch nicht klüger. Auf die … Nachrichten von der Ankunft des französischen Gesandten … habe ich, schrieb Bartels an Smidt nach Bremen, wie Sie leicht denken können, gesucht, in Ermangelung von Nachrichten hier zu erfahren: ob die Reise … Aufträge von seiner Regierung zum Grunde haben könnte. Ich sprach gestern mit Jemand über die Sache, der im Fall ist etwas sichres zu wißen.[46] Der aber wusste auch nichts. Währenddessen dinierte nach allen Regeln der diplomatischen Kunst in Kassel, der Hauptstadt des Königs Jérôme, Syndikus Doormann. Er hörte dort hinsichtlich der kleinen Republiken immer wieder ein Wort. Es schien mit einer gewissen Absicht in die Gespräche einzufließen. Soumission hieß es und war wohl mit Unterwerfung zu übersetzen.[47]
Plötzlich tauchte die Idee auf, ob Hamburg und Bremen sich nicht vielleicht über den Gewinn des Herzogtums Bremen freuen würden. Der Hamburger Senat hatte das diplomatischer Korrespondenz aus Paris entnommen, wollte davon aber nichts wissen. Die Republik lebte vom Handel. Von Getreideanbau und Milchwirtschaft sei kein Glück zu erwarten, so der Konsens.[48] Dem Bremer Senator Smidt hingegen schwebten blühende Landschaften vor. Er konnte sich dafür begeistern, verfasste ein detailliertes Memorandum und schickte es an Bartels. Smidt allerdings hatte seinen Standpunkt schon öfter gewechselt. Erst hansische Neutralität, dann Anschluss an den Rheinbund, jetzt Annexion eines ganzen Herzogtums.[49]
Die Kollegen von der Elbe waren nicht erbaut, aber die Höflichkeit erforderte es, sich für den aufgewandten Scharfsinn zu bedanken. Die Sache war mir ganz neu wie ich Ihren Brief erhielt, entschuldigte Dr. Bartels die verspätete Antwort. Aber was jetzt? Eine Kommission musste her. Wenn schon die Diplomaten überall Fallen stellten, dann sollte es wenigsten im heimischen Rathaus bieder und vernünftig zugehen. Ich … trug darauf an, daß die Sache an eine Commission verwiesen werde, und da ich selbst zu dieser gehörte, so theilte ich ihr Ihre Ansichten mit. Sie bewunderte den Scharfsinn mit dem die Sache behandelt, und die Gegengründe beseitigt waren, aber sie blieb entgegengesezter Meinung.[50] Es war eine kalte Dusche für den Imperialisten an der Weser, aber die Hamburger fanden ihre Argumente unwiderleglich: die unvermeidliche Feindschaft Englands, die ebenso unvermeidlichen finanziellen Forderungen Frankreichs, mögliche Schieflagen im verfassungsmäßigen Gebälk der Republiken, all das formulierte der besorgte Bartels in schön gesetzten Worten. Dazu drohte noch eine beispiellose diplomatische Blamage. Niemand war sich so ganz sicher, ob Napoleon wirklich ein Angebot in diesem Sinne gemacht hatte. Es scheint freilich nicht unwahrscheinlich, so Bartels an Smidt, daß er den Städten einige Vergrößerung ihres Gebiets zukommen laßen wolle, aber schwerlich werde er darauf gedacht haben, daß man eine Forderung von solcher Bedeutung machen könne … Leicht könnte sein Unwillen dadurch erregt werden oder vielleicht auch die Idee einer großen Hanseatischen Republik, die unter dem directorio entstanden war, wieder in seinem Kopfe aufleben.[51]
Die Hanseatische Republik war schon seinerzeit eine Lieblingsidee Benekes und Smidts,[52] von der das politische Establishment in Hamburg nichts gehalten hatte. Aber pflichtgemäß holte Senator Bartels Gutachten ein und fragte bei Freund Abendroth in Cuxhaven nach. Der hatte gerade keine Lust, all die bekannten Argumente noch einmal durchzukauen. Er zog ein altes Memorandum aus dem Archiv, das Kollege Johann Arnold Heise 1802 verfasst hatte, und schickte es nach Hamburg. Warum sich noch einmal die Arbeit machen? So wenig die Stadt Hamburg es wünschen wird, in der Nähe der Stadt ihr Gebieth sehr vergrößert zu sehen, da nur der Handel sie wohlhabend machen kann, eben so wenig kann sie es wünschen, daß das bloß des Hafens wegen unentbehrliche Amt Ritzebüttel sehr vergrößert werde.[53]
Dem war wenig hinzuzufügen. Senator Bartels wurde dann noch einmal sehr grundsätzlich. Nur eine Garantie Frankreichs für die Republiken könne helfen, in welcher Form auch immer. Die Hansestädte würden doch verlohren seyn, so Senator Bartels und seine Kommission, wenn nicht ein festes System in Hinsicht ihrer sie gegen … Angriffe und Plakereien … sichert … und eine Sicherheit dieser Art sey es die bey Frankreich nachgesucht werden müße, es sey nun mittelst der Aufnahme in den Rheinbund oder der unmittelbaren Garantie Frankreichs.[54] Das war die Option für Frankreich ohne Wenn und Aber. Und das von Senator Bartels. Es war Realpolitik im Zeitalter des Kaiserreichs. Im Augenblick gab es für eine kleine Republik keine Alternative. Der Senat zog daraus die Konsequenzen. Hamburg durfte sich nicht weiter mit absurdem Kleinkram wie der Annexion des Herzogtums Bremen beschäftigen. Wir haben deshalb heute nach Paris geschrieben, daß nicht allein kein Antrag in dieser Sache in Hinsicht unser gemacht, sondern auch ablehnend geantwortet werden solle, wenn etwas der Art aufs Tapet gebracht werden wird.[55] Das Projekt war tot, bevor es richtig Fahrt aufgenommen hatte. Auf dem Programm stand die Integration in die neue europäische Ordnung des napoleonischen Kaiserreichs.
Im Sommer 1810 klopfte die neue Ordnung auf dem Schloss Ritzebüttel bei Gouverneur Abendroth an. Ein Nachbar kam, ein besonderer, ein veritabler König, der von Westphalen, Jérôme Bonaparte, jüngster Bruder des Kaisers. Möglicherweise war das eine Chance für die Republik. Die Lage war kritisch wie immer in letzter Zeit, ein direkter Kontakt zur kaiserlichen Familie konnte nicht schaden. Ein Problem war, dass Napoleon seinen Bruder nicht gerade als Leistungsträger behandelte. Er sprang mit ihm um, schickte ihm für sein neues Königreich Westphalen eine Verfassung, schleunigst einzuführen und bitte keine Diskussionen. Dann schenkte er ihm Hannover, nahm es ihm aber kurze Zeit später wieder ab.[56] Wenn etwas nicht klappte, gab es herbe Verweise, so waren die Familienverhältnisse. Aber davon ahnte ein Senator der Republik natürlich nichts. Oder doch? Vorerst gingen in Ritzebüttel nur Gerüchte über die Reise des Königs um. Dann, Mitte August 1810, wurde es plötzlich ernst. Eigentlich passte es gerade nicht. Freund Dr. Meyer von der Patriotischen Gesellschaft war mit Familie bei den Abendroths zu Gast. Der aber war begeistert von der königlichen Visite.[57]
Seine Majestät ließ sich vom Grafen von Wellingerode zur Übernachtung anmelden. Dieser Graf hieß Pierre Simon Meyronnet – alter provenzalischer Adel – und hatte seine Karriere als Schiffsjunge begonnen. Jetzt saß er mit einem Titel aus den deutschen Mittelgebirgen im Staatsrat des Königreichs Westphalen und annoncierte seinen König. Gouverneur Abendroth hatte eigentlich nur mit einem royalen Frühstück gerechnet. Was jetzt? Ein Grand Hotel gab es nicht, es blieb ihm nur, sein eigenes Chateau anzubieten. Das war zwar nicht für Könige gemacht, aber er gab sich schmeichelnd der Hoffnung hin, dass seine Majestät le pardonnera gracieusement, wenn seine, des Herrn Amtmanns, Mittel nicht ganz seinem Eifer entsprächen.[58] Diese Botschaft schickte er dem frisch kreierten Grafen, bei dieser Gelegenheit als Votre Excellence[59] tituliert. Aber übertreiben wollte der Gouverneur auch nicht, das erforderte der republikanische Anstand, obwohl es Abendroth nicht ganz klar war, was für den Fall eines Königsbesuchs in einer Republik im Buch der Etikette stand. Eine Schrecksekunde lang war er ratlos: Da unser Land nie von einem König betreten ist, so konnte ich mich nirgends Raths erhohlen – sondern muste es alles in der Eile nach meinem besten Wissen einrichten wobey ich es auf der einen Seite nicht an dem schuldigen Respekt durfte fehlen lassen, auf der andern Seite aber auch alle Ehrenbezeugungen zu vermeiden suchte die dem Souverain des Landes zu komen.[60] Souverän dieses Landes war Jérôme eben nicht. Aber Kanonendonner war obligatorisch: 21 Schuss Königssalut vom Wall und noch einmal 21 Schuss von der Batterie.
Das Protokoll nahm seinen Lauf. An der Grenze – sie lag nicht weit vom Zentrum entfernt – begrüßte Abendroth den König in französischem Kostüm mit Degen und Hut und verlieh seinen devotesten Empfindungen über dessen Ankunft lebhaften Ausdruck. Konnte es sein, dass der Repräsentant der Republik sich gerade in humoristischer Stimmung befand? Lachte er etwa hinter dem Rücken eines Königs? Die westfälische Majestät wollte gern die englischen Schiffe sehen. Sollte sie und so stellte ich es Hochderselben anheim ob Sie Sich eine Treppe höher bemühen wollten.[61] So schrieb er an den Hamburger Senat. Die Herren dort amüsierten sich gern, das wusste er, besonders über Majestäten, die um Unterstützung bei der Frau Mutter einkommen mussten, wenn der eigene Bruder sich mal wieder unausstehlich aufführte.
Der Aufenthalt des Königs nahm dann einen sehr zufriedenstellenden Verlauf. Der Amtmann verfügte sich nebst Gattin an die königliche Tafel. Aufgeklärte Gespräche über die Größe des Landes und die Aktivitäten im Hafen wurden gepflogen.[62] Hier verfuhr der Herr Gouverneur etwas ökonomisch mit der Wahrheit. Er beschrieb Ritzebüttel als einen Klotz am Bein der Republik, wahrscheinlich um die spontane Annexion zu verhindern. Einen protokollarischen Zwischenfall gab es auch noch. Abendroth war vom Pferd gestiegen, während die Majestät keine Anstalten machte. In Windeseile saß auch der Gouverneur wieder auf. Ein Senator zu Fuß neben einem König zu Pferd machte keinen guten Eindruck. Nach wenigen Tagen war der König verschwunden, und Abendroth bedankte sich bei Wellingerode – irgendwo zwischen protokollarischem Pli und mühsam unterdrücktem Lachen. Je ne l’ai pas osé d’écrire directement à Sa Majesté pour exprimer à Sa Majesté les très humbles sentimens de ma reconnaissance la plus vive, étant persuadé qu’ils seront le mieux accueulli si Votre Excellence …,[63] und weiter in diesem Stil. Vielleicht hatte er auch einfach in einem Musterbuch für offizielle Texte nachgesehen.[64] Johanna Abendroth erinnerte den Besuch auf ihre Weise. Eine Nacht war der König von Westphalen bei uns. Das war ein furchtbarer Spektakel, 50 Mann haben auf dem Schloss geschlafen, viele an der Erde. Der Domherr Meier und seine Familie waren gerade bei uns. In seinen letzten Tagen war das seine angenehmste Erinnerung.[65] Dr. Meyer, der Domherr, hatte schon von anderen Königsempfängen gehört. Als er kurz nach 1800 seinen Bruder besuchte, erzählte man ihm vom vollkommen verunglückten Empfang des Königs von Etrurien in Bordeaux.[66] Er war eine der ersten royalen Kreationen Napoleons und wahrscheinlich mussten sich alle noch in die ungewohnten Rollen finden.
Abendroth war es besser gelungen. Er hatte sich in allerhöchsten Sphären bewegt und erstattete umgehend Bericht. Der Senat der Republik plusterte sich etwas auf und gab sich gravitätisch. Unsern freundlichen Gruß zuvor, meldeten sich die Kollegen aus Hamburg, Edler, Vester, Hochgelehrter und Wohlweiser Herr, Insonders günstiger, guter Freund![67] Es klang, als wäre der Amtmann von Ritzebüttel ein Renaissancefürst. Sie bedankten sich, ließen ihren Gouverneur unter der Hand auch wissen, dass sie die Reiselust der westphälischen Majestät eher lästig, um nicht zu sagen etwas lächerlich fanden. Vor allem aber billigten sie Abendroths Strategie des freundschaftlichen Entgegenkommens. Sie haben sich dadurch zu allen Ihren übrigen vielen und großen Verdiensten um uns und unsere Stadt ein neues ausgezeichnetes Verdienst um Hamburg und das dortige Amt insbesondere erworben, und wir schmeicheln uns mit der Hoffnung, daß durch die persönlichen Bekanntschaften die Sie bey dieser Gelegenheit gemacht haben, Ihre künftigen Geschäftsverhältnisse erleichtert und manches Gute befördert werden werde.[68] Näheres sollte Senator Bartels mündlich mit dem Ritzebüttler Gouverneur besprechen. Vor allem konnte er ihm mitteilen, dass der Senat 3.000 Mark Bewirtungskosten übernahm.[69] Auch republikanische Repräsentation kam nicht umsonst.
Die Abkürzungen StAHH, StAB und StACux beziehen sich auf Bestände der Stadt- und Staatsarchive von Hamburg, Bremen und Cuxhaven; die Fußnoten auf die Literaturliste.
[1] Wohlwill: Geschichte, S. 346–348.
[2] Meyer: Briefe, Bd. 2, S. 152.
[3] Reincke: Briefwechsel, S. 247.
[4] StACux, Amtsarchiv Ritzebüttel VII Fach 10 Vol K Fasc 1, Abendroth an Jenisch, 4.3.1807.
[5] StACux, Amtsarchiv Ritzebüttel VII Fach 10 Vol K Fasc 1, Abendroth an Jenisch, 7.3.1807.
[6] Capelle/Demory: Maréchaux, S. 43.
[7] StACux, Amtsarchiv Ritzebüttel VII Fach 10 Vol K Fasc 1, Abendroth an Jenisch, 26.2.1807.
[8] StACux, Amtsarchiv Ritzebüttel VII Fach 10 Vol K Fasc 1, Abendroth an Jenisch, 14.2.1807.
[9] StACux, Amtsarchiv Ritzebüttel VII Fach 10 Vol K Fasc 1, Abendroth an Jenisch, 26.2.1807.
[10] StACux, Amtsarchiv Ritzebüttel VII Fach 10 Vol K Fasc 1, Abendroth an Jenisch, 20.3.1807.
[11] Zitiert nach Bourgoin: Esquisse, S. 369f. Gestatten Sie uns … Ihnen die ganze Freude auszudrücken, die wir über die Gewißheit empfinden, die Beziehungen nicht aufhören zu sehen, die wir die Ehre haben, mit Ihnen zu unterhalten; und seien Sie überzeugt, daß wir jederzeit das Unsrige tun werden, um jene wohlwollenden Gesinnungen zu erhalten, von denen Sie uns so viele Beweise zu geben geruht haben und denen wir den höchsten Wert beilegen.
[12] Zitiert nach Bourgoin: Esquisse, S. 371.
[13] Schmidt: Hamburg, Teil 1, S. 267.
[14] Zitiert nach Servières: Allemagne, S. 117. Der Verkauf dieser Waren ist in Hamburg ebenso leicht wie in London. Man kann sich nicht verhehlen, daß es Marschall Brune ist, dem man alle Veruntreuungen, die stattgefunden haben, oder doch einen sehr großen Teil derselben, zur Last legen muß.
[15] Zitiert nach Servières: Allemagne, S. 112. Das zeigt Ihnen, wieviel Billigkeit und Umsicht Sie gegenüber allem Eigentum walten lassen müssen – außer dem der Engländer.
[16] Reincke: Briefwechsel, S. 251.
[17] Tagebuch der Fürstin Pauline, 20.10.1807, zitiert nach Niebuhr: Fürstin, S. 63.
[18] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 28.7.1807.
[19] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 28.7.1807.
[20] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 24.3.1809.
[21] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 8.9.1808.
[22] Rist: Lebenserinnerungen, Bd. 2, S. 23f.
[23] Siemann: Metternich, S. 195f.
[24] StAB, 2 B 5 a 7 Vol 2, Bartels an Smidt, 4. und 5.10.1827. Über Reinhard vgl. auch Rist: Lebenserinnerungen, Bd. 2, S. 65f.
[25] Rist: Lebenserinnerungen, Bd. 2, S. 24.
[26] Rist: Lebenserinnerungen, Bd. 2, S. 32–34.
[27] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 14.8.1808.
[28] StAHH, Senat Cl I Lit Pb Vol 8g Fasc 160d, Bernadotte an Abendroth, 27.2.1809. Die Art, in der die Polizei dieser Stadt verwaltet worden ist, macht Ihnen die allergrößte Ehre, und Ihre Mitbürger schulden Ihnen Dank für die Sorge, die Sie ohne Unterbrechung der öffentlichen Ordnung entgegengebracht haben.
[29] StACux, Amtsarchiv Ritzebüttel I Fach 13 Vol B Fasc 2 Dok 119, Abendroth an Hartung, 12.4.1831.
[30] Abendroth: Ritzebüttel, Tl. 1, S. 201.
[31] Abendroth: Ritzebüttel, Tl. 1, S. 201f.
[32] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Abendroth an Smidt, 31.7.1809.
[33] Abendroth: Ritzebüttel, Tl. 1, S. 202.
[34] Rist: Lebenserinnerungen, Bd. 2, S. 61.
[35] Abendroth: Ritzebüttel, Tl. 1, S. 204f.
[36] Abendroth: Ritzebüttel, Tl. 1, S. 207.
[37] Abendroth: Ritzebüttel, Tl. 1, S. 208.
[38] Abendroth: Ritzebüttel, Tl. 1, S. 207.
[39] Abendroth: Ritzebüttel, Tl. 1, S. 203.
[40] Beneke: An Preußen, zitiert nach Möller: Politik, S. 68.
[41] Beneke: Tagebücher, 6.5.1809.
[42] Beneke: Tagebücher, 6.5.1809.
[43] StAHH, Familie Westphalen II A 4 Johann Ernst Friedrich Westphalen, empfangene Briefe 1797–1829, Unterakte Johann Heinrich Bartels, Bartels an Westphalen, 22.5.1809.
[44] Beneke: Tagebücher, 1.6.1809.
[45] Napoleon an Champagny, 26.9.1809, s. Stubbe da Luz/Wurm: ‚Hamburg‘, Bd. 2, S. 15f.,
[46] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 16.11.1809.
[47] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 27.11.1809.
[48] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 8.1.1810.
[49] Dreyer: Hamburg, S. 39f.
[50] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 8.1.1810.
[51] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 8.1.1810.
[52] Beneke: Briefe eines Hanseaten, Beneke: Tagebücher, Bd. I/4, S. 469.
[53] StACux, Amtsarchiv Ritzebütttel II Fach 1 Vol E, Memorandum Heises von 1802, Abendroth an den Senat, 11.1.1810.
[54] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 8.1.1810.
[55] StAB, 2 B 5 a 6 No 11, Bartels an Smidt, 8.1.1810.
[56] Vgl. Delinière: Reinhard, S. 310.
[57] Abendroth’sche Lebenserinnerungen, S. 4.
[58] StAHH, Amt Ritzebüttel I Fach 6 Vol F Dok 3, Abendroth an den Grafen von Wellingerode, 9.8.1810.
[59] StAHH, Amt Ritzebüttel I Fach 6 Vol F Dok 3, Abendroth an den Grafen von Wellingerode, 9.8.1810.
[60] StAHH, Amt Ritzebüttel I Fach 6 Vol F Dok 4, Abendroth an den Senat, 12.8.1810.
[61] StAHH, Amt Ritzebüttel I Fach 6 Vol F Dok 4, Abendroth an den Senat, 12.8.1810. 50 Jahre später wurde noch genauso gern gelacht. Senator Kirchenpauer amüsierte sich über den König von Hannover. Ein Nachtquartier würde er für ihn ganz gerne organisieren, da er dann für die Unterhaltung eines Schlafenden nicht weiter zu sorgen brauche, schrieb er aufgeräumt an den Kollegen Merck. Es gab Fragen über Fragen. Ob man wohl an der Straße stehen musste, um Hurra zu rufen? Rauchten Könige vielleicht Zigarren? Mir ist der Fall in praxi noch nicht vorgekommen, aber man muß doch darauf gefaßt sein. Er selbst rauchte wohlfeil und Hamburger Fabricat, was man aber selbstredend nicht anbieten konnte. Die teuren Havannas lagen im Schrank und zogen nicht. Zitiert nach Bolland: Senat, S. 28.
[62] Das napoleonische Establishment liebte diese Themen, auch der Kaiser selbst. Er addressirte gerne statistische Fragen. Fürstin Pauline zur Lippe, Abendroths Ritzebüttler Badefreundin, wusste, dass man sich auch in geselliger Konversation auf ein Examen vorbereiten musste. Ich antwortete rasch und ohne Stocken und wurde darüber gelobt, daß ich so gut Bescheid wisse. Der Erbprinz von Mecklenburg-Strelitz hingegen zeigte Schwächen. Er wusste nicht so genau, wie weit es von Schwerin bis Rostock war. Tagebuch der Fürstin Pauline, 1.11.1807, zitiert nach Niebuhr: Fürstin, S. 82.
[63] StAHH, Amt Ritzebüttel I Fach 6 Vol F Dok 14, Abendroth an den Grafen von Wellingerode. Ich habe es nicht gewagt, direkt an Seine Majestät zu schreiben, um Seiner Majestät die sehr demütigen Empfindungen meiner lebhaftesten Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, in der Überzeugung, dass sie besser aufgenommen werden, wenn Eure Exzellenz…
[64] Dort lernte man: In der ersten Periode einer Bittschrift muss man die Worte: Votre Majesté, Votre Excellence etc. hören und solche dann mit Sire, Monseigneur, oder Madame, doch dass sie nicht zu nahe auf einander folgen, abwechseln lassen. Diesen Tipp gab das Jahrbuch der hanseatischen Departements für 1812. Wedekind: Jahrbuch, S. 318.
[65] Abendroth’sche Lebenserinnerungen, S. 4.
[66] Meyer: Briefe, Bd. 2, S. 126–129.
[67] StAHH, Senat Cl I Lit Pb Vol 8g Fasc 160d, Dankschreiben des Senats an Abendroth, 17.8.1810.
[68] StAHH, Senat Cl I Lit Pb Vol 8g Fasc 160d, Dankschreiben des Senats an Abendroth, 17.8.1810.
[69] StAHH, Senat Cl III Lit A-E No 3b Vol 23 Dok 3, Senatsbeschluss 17.8.1810.


