34. Hamburg – Großstadt – Kriminalität
Arrest fördert das Verbrechen
In Deutschlands zweitgrößter Stadt waren Amandus Augustus Abendroth und Johann Heinrich Bartels nach 1800 als Prätoren und Polizeichefs viele Jahre für die Bekämpfung der Kriminalität zuständig. Law and Order verbanden sie mit der Entkriminalisierung von Prostitution und Bettelei – und sorgten dafür, dass sich die Gefängnisse leerten. Für Resozialisierung war eine Zelle der falsche Ort.
Dies ist Teil 34 der Aufklärung in Hamburg: Johann Heinrich Bartels, Amandus Augustus Abendroth, Ferdinand Beneke und die Verbesserung ihrer Republik 1790–1835, which you can also read in English. Die Einleitung beschreibt, worum es geht, und wer einen Überblick über die bisher veröffentlichten Kapitel haben möchte, klickt bitte hier.
Anfang 1811 hatte es im Hause Beneke einen Einbruch gegeben, Schaden 160 Mark – nicht dramatisch, aber doch beunruhigend.[1] Für die Geschädigten war es erst einmal ein Schreck, dann stellte sich die Frage, ob man nicht doch vielleicht vergessen hatte, irgendwo eine Tür abzuschließen. Dazu kam der Klassenstandpunkt eines Bürgers, der auf sein Geld achten musste. Der Kerl hätte auch wohl einen Reicheren bestehlen können,[2] meinte Ferdinand Beneke etwas mürrisch. Als Trostpflaster kamen von Freunden und Familie ein Portugalöser, eine wertvolle Münze, die Bürger gerne verschenkten, um sich gegenseitig ihrer Hochachtung zu versichern, und ein silberner Becher. Alles in allem hielt sich die Aufregung in Grenzen. Doch im Mai 1812 passierte es schon wieder.[3] Diesmal fassten die Hausangestellten den Dieb. Beneke schickte ihn aber nach Hause – wegen der hohen Strafen, die die nunmehr gültigen französischen Gesetze vorsahen, und wegen der Scherereien mit der Polizei. Er besuchte ihn sogar, um ihm ins Gewissen zu reden. Sehr patriarchalisch.
Der Bürger fühlte sich durch Kriminalität nicht sonderlich bedroht. Aber was sagte die Statistik? War Hamburg eine sichere Stadt? Oder herrschten Mord und Totschlag wie im zitronen- und giftreichen Welschland?[4] Zuständig für diese Fragen waren über Jahre hin die Senatoren Dr. Bartels und Dr. Abendroth – zunächst als Prätoren, ab 1814 dann als Chefs der neu organisierten zentralen Polizeibehörde der Republik.
Bartels kannte die Verhältnisse in Italien und hatte verschiedentlich Verbreitung und Ursachen der dortigen Kriminalität beschrieben. Die Ergebnisse waren haarsträubend, 100 Morde in Kalabrien pro 100.000 Einwohner.[5] Aber er war geneigt, zu entschuldigen und nach Erklärungen zu suchen. Das Adelsregime ermittelte er als die Hauptursache dieser wilden Gewalttätigkeit. In bürgerlichen Republiken war also damit nicht zu rechnen. Ganz klar war die Lage in Hamburg aber nicht, wenn auch auf jeden Fall wesentlich entspannter als in Italien. Es gab Grund zum Optimismus. Die aufgeklärten Verbesserer warfen einen Blick auf die Statistiken, genauer gesagt, sie gaben sie selbst in Auftrag. Sie hatten sich mit dieser Form der Analyse auf den Universitäten vertraut gemacht. Datenbetrachtung war nötig für ein realistisches Bild, gefühlte Gefahrenlagen stifteten Verwirrung.
Anfang 1831 ließ sich Bürgermeister Bartels eine Übersicht über die Verurteilungen des vorangegangenen Jahres vorlegen. Die Kriminalität war danach nicht sonderlich hoch. Im Jahr 1830 fällten die Gerichte insgesamt 730 Urteile, 451 davon wegen Bettelei. Daneben spielten ein einziger Totschlag, 117 Diebstähle, 143 Fälle von Frevel und Ausschweifungen und 14 Betrugsdelikte statistisch eine geringe Rolle.[6] Die Schwerstkriminalität – Mord – lag also nur bei einem Hundertstel des Werts des italienischen Südens. Das Strafmaß lag relativ niedrig, in 600 Fällen drei Monate und weniger – das waren die Bettler und kleinen Krawallmacher. Nur achtmal verhängten Richter eine Strafe von mehr als drei Jahren. Als erklärter Feind der unkontrollierten Zuwanderung verfehlte der Bürgermeister nicht, darauf aufmerksam zu machen, dass sich unter den 730 Verurteilten 269 Nicht-Hamburger befanden. Ein klarer Beweis für überproportional hohe Ausländerkriminalität, nur dass die Ausländer eben aus Pinneberg, Harburg und ähnlichen Lokalitäten kamen. Es hing immer schon viel von Definitionen ab.
Diese Zahlen beruhigten – aber Polizeichef Abendroth war einige Jahre früher zu wesentlich bedenklicheren Resultaten gekommen. 1822 gab er bei seinen Mitarbeitern eine Statistik über die Entwicklung der polizeilichen Festnahmen in Auftrag. Der Neubau eines Untersuchungsgefängnisses stand an und ohne belastbare Daten war so ein Projekt sinnlos. Festnahmen waren ein anderer Parameter als Verurteilungen, aber auf den ersten Blick war eines unübersehbar: Ihre Anzahl war über die Jahre steil in die Höhe geschossen.[7]
Die Zahlen waren interpretationsbedürftig. Auf jeden Fall zeigten sie, wie nachdrücklich die neue Polizeibehörde nach 1814 unter ihrem Chef Bartels auf den Straßen durchgriff. Aber eine Steigerung der Festnahmen um fast das Dreißigfache? Wie war das möglich und war dieser beunruhigende Befund verlässlich? Eine offene Frage, es gab Grund zum Zweifeln. Zum einen wusste Abendroth als Auftraggeber selbst am besten, dass die Statistik ihre Schwächen hatte. Für die ersten Jahre waren die Zahlen errechnet worden. Streng genommen waren die Daten also nicht vergleichbar mit der Zahl der effektiv Verhafteten der späteren Jahre. Zum anderen war da die Bettelei. In gewisser Weise war sie eine juristisch selbstinduzierte Form von Kriminalität, auffällig war der Sprung nach Gründung der Armenanstalt 1788, die die Bettelei zu einem strafbaren Delikt erklärt hatte. Abendroth hatte an diesem Punkt seine Zweifel, sprach von den schuldlosesten Gefangenen, den Bettlern nämlich.[8] Nahm man sie aus der Statistik heraus, relativierten sich die Zahlen, allein die Vermehrung bleibt doch noch gros genug, schrieb er.[9]
Der Bürger brauchte sich um schwere Kriminalität keine Sorgen machen. Gleichzeitig aber rollte eine Welle der Bagatellkriminalität und der kleinen Randale über die Republik hinweg. Das Volk in den Gängevierteln kämpfte in prekären Verhältnissen ums Überleben und ließ dabei gerne die Fäuste fliegen.[10] Es war eine ungemütliche und diffus bedrohliche Tatsache für die Besitzenden. Die Polizeichefs Bartels und Abendroth hatten gut zu tun und griffen durch. Ein reger Betrieb auf den Wachen war die Folge. Aber die aufgeklärte Polizei selbst war gegen Haftstrafen. Die Republik sollte nicht zum Verursacher von Kriminalität werden. Abendroth hielt die These für praktisch bewiesen, daß ein langer Arrest oft verderblichere Folgen für die niedere Volksklasse hat, als die Strafe selbst. In einer Familie, wo der Hausvater die Seinigen durch den täglichen Verdienst ernährt, tritt eine nie wieder zu behebende Noth und Elend ein, wenn dieser etwa wegen eines geringen Vergehens auch nur acht Tage im Gefängnisse gewissermaßen vergessen wird … Wer es in seinem Geschäftskreise zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, wie tief oft eine Familie durch einen langwierigen Arrest herunterkommt, wie sie beinahe gezwungen wird, sich ferner von Vergehen und Verbrechen zu ernähren, der wird mit mir einsehen, daß alles angewandt werden muß, um die Detention auf jede Art abzukürzen.[11]
Einen ersten Versuch, die Gefängnisse zu leeren, hatte er schon 1800 unternommen. Der Senat stellte sich allerdings quer und eine Verordnung vom Juli 1801 verfügte Haftstrafen zwischen 6 und 12 Monaten – für Menschen in Not, die sich an die Straßenecke gesetzt und um ein Stück Brot oder einen Schilling gebeten hatten. 1806 unternahmen Abendroth und die Armenanstalt einen neuen Anlauf, die langen Strafen würden statt die Arrestanten zu bessern dieselben nur verschlimmern.[12] Kollege Bartels unterstützte ihn. Auswärtige Bettler sollten mit kurzem, verschärftem Arrest zur Ordnung gerufen werden. Mit den hiesigen Bettlern aber, setzte er seine Erläuterungen im Senat fort, ist es ein ganz anderes. Unter diesen finden sich einige die würklich aus Noth gebettelt haben, die die Hülfe die die Armen Anstalt gewährt nicht kannten, oder … durch einen sorglosen Pfleger entweder abgewiesen oder doch vernachlässigt wurden. Diese nun 6 Monate im Zuchthaus sitzen zu lassen ist eine Barbarei.[13] Das starke Wort erreichte seinen Zweck – halbwegs. Die neue Verordnung behielt zwar das ursprüngliche Strafmaß bei, räumte den Richtern aber weite Entscheidungsspielräume ein. Es spricht einiges dafür, dass Abendroth und Bartels, wenn immer möglich, verhinderten, dass Kleinkriminelle mit dem Gefängnis Bekanntschaft machten. In der Regel wurden weniger als die Hälfte der verhafteten Bettler auch verurteilt. Der größere Teil ging mit einer patriarchalischen Ermahnung wieder nach Hause.
Bei einem anderen Massenphänomen des Hamburger Stadtlebens sah es ähnlich aus, bei der Prostitution. Dafür war St. Pauli berühmt. Das Viertel florierte, die Bevölkerungszahl stieg, aber über Diebe und Zuhälter freute sich keiner, die Hoch- und Wohlweisheiten des Senats am wenigsten. Es hatte sich eine kriminelle Halbwelt etabliert, die Abendroth verdrängen wollte. Nicht verdrängen wollte er hingegen die Prostitution. Das war bemerkenswert. Wenn die Polizey aus sehr triftigen Gründen dort die liederlichen Weibspersonen nicht nur duldet, sondern sie auch privilegirt, so kann es doch keine Gründe geben Diebesgesindel zu dulden und Wirthe zu toleriren die nichts als Diebe Diebeshelfer Bettler und herumschweifendes Gesindel beherbergen.[14] In St. Pauli machte die Polizei gerade den Versuch, Prostitution und Kriminalität zu trennen.
Über käuflichen Sex mochte man denken, was man wollte. Er war nun einmal da, nicht erst seit gestern und realistischerweise war ein schlichtes Verbot aussichtslos. Das war wohl einer der sehr triftigen Gründe Abendroths, warum die Polizei diesen Versuch besser nicht unternahm. 1807 regelte er als Prätor das Gewerbe.[15]
Prostituierte mussten sich erstens registrieren lassen. Das war kein Freischein, aber möglicherweise wirkte sich das als vorsichtige Entkriminalisierung aus. Es gab, wenn sonst nichts gegen sie vorlag, für die Polizei keinen triftigen Grund mehr, registrierte Frauen zu verhaften. Wahrscheinlich war das ein Fortschritt. Es löste sie auch aus der Abhängigkeit von kriminellen Zuhältern.
Die Arbeiterinnen des Gewerbes mussten sich zweitens regelmäßig untersuchen lassen. Das war ein Selbstgänger aufgeklärter Gesundheitspolitik. Ansteckende Krankheiten mussten kontrolliert werden – vom Staat. Dafür gab es sehr unterschiedliche Mittel: Quarantäne in Ritzebüttel, Impfkampagnen gegen die Pocken und eben ärztliche Untersuchungen auf Geschlechtskrankheiten. Das war nicht nur Repression. Bei sichtlich infizierten Männern waren die Frauen aufgefordert, den Beischlaf zu verweigern, die Wirte sollten sie vor Gewaltanwendung uneinsichtiger Kunden schützen. Wenn es denn half.
Drittens wurde eine monatliche Abgabe von zwei Mark von jeder Prostituierten erhoben, zu zahlen an die Polizeikasse, die damit die Behandlung von Geschlechtskrankheiten im Hiobshospital finanzierte. Es zahlten die Bordellbetreiber, auch sie waren zur Registrierung verpflichtet. Sie erhielten auf diese Weise einen gewissen Anreiz, sich aus dem kriminellen Milieu zu lösen. Faktisch arbeiteten sie jetzt mit Konzession und die konnte entzogen werden.
Dem bürgerlichen Skandal aber war dadurch natürlich nicht beizukommen. Wenigstens sehen wollte der ordentliche Abendspaziergänger nicht, was doch alle wussten. Abendroth begrenzte die Prostitution deshalb später als Chef der Polizei auf abgelegenere Straßen, um den Neuen Wall und den Jungfernstieg davon freizuhalten.[16] In gewissem Sinne verstärkte er aber auch noch einmal die Stellung der Prostituierten. Seit 1821 mussten der Unternehmer und seine Arbeiterinnen einen Arbeitsvertrag bei der Polizei vorlegen, Arbeitgeberwechsel war für die Frauen möglich, Verführung zur Prostitution wurde mit Pranger bestraft.[17] Das war das System Abendroth, ausgerichtet im Wesentlichen auf zahlenmäßige Beschränkung, hygienische Kontrolle und vorsichtige Entkriminalisierung des Milieus.
Dagegen gab es immer starke Widerstände. Das Milieu war unzufrieden, die selbsternannten anständigen Bürger selbstredend auch. Einen besonderen Faktor bildete das Personal der Polizei, von dem gerne und wahrscheinlich nicht ganz grundlos angenommen wurde, dass es sich für seine Nachsicht bezahlen ließ – in Geld und in Naturalien. So jedenfalls stand es in den Zeitungen und die Zensur hatte nichts dagegen.[18] Bei passender Gelegenheit – einem schwachen oder desinteressierten Prätor zum Beispiel – wurden die Regeln schnell und stillschweigend von allen Beteiligten vergessen. 1818 aber war Senator Bartels Polizeichef, und der war weder vergesslich noch desinteressiert. In bester aufgeklärter Manier machte er sich zuerst einmal ein Bild von der Sachlage. Vor einiger Zeit lustwandelte ich einmal zwei Stunden durch die Stadt von 2 – 4 Uhr nachts, und fand den Skandal ungeheuer.[19] Mit einer derartigen Ausdehnung des Sexgeschäfts hatte er nicht gerechnet. Die Anzahl der Prostituierten betrug seiner Schätzung nach – incredibile dictu! – fast 3.000.[20] Bei 100.000 Einwohnern war das wirklich unglaublich.
Ein erster Anlauf, das Gewerbe unter Kontrolle zu bringen, entpuppte sich als Fehlschlag: zu teuer, zu französisch, eine Beleidigung für den ehrbaren Polizeibeamten, so hieß es aus dem Widerstand. Man wollte mich amüsiren, empörte sich Bartels, man suchte geflißentlich mir die Sache aus dem Gedächtnis zu bringen,[21] so kommentierte ein sichtlich gereizter Polizeichef. Der aber ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. Ende Mai 1818 erfolgte per offizieller Bekanntmachung der Befehl zur Registrierung. Wirten und Mädchen befahl er, innerhalb 14 Tagen zu diesem Behuf sich Abends von 6 bis 7 Uhr im Stadthause zu stellen.[22] Zu stellen! Kamen sie nicht, wurden zugewanderte Prostituierte ausgewiesen, die einheimischen bestraft. Das wirkte. Erfahrungsgemäß, so Bartels, musste einmal ein Schrekschus geschehen …, um Ändrung zu befördern. Daß ich nicht geirrt habe beweist der Erfolg. Man drängt sich zur Angabe, und in 8 Tagen wird die Liste geschlossen werden. … Die Absicht ist 1) die Zahl einzuschränken 2) die Altstadt möglichst zu säubern 3) den Gesundheitszustand der unglüklichen Personen beständig unter Aufsicht zu stellen 4) das hierher Holen auswärtiger Dirnen (ein scheuslicher Menschenhandel!) zu stören 5) den Gassenfrevel so weit wie immer möglich abzustellen.[23] So weit, so aufgeklärt und zweckmäßig.
Der Polizeichef reklamierte Erfolg. Eine gewisse Verlegenheit des entschlossenen Mannes war allerdings nicht zu übersehen. Er liebte die Öffentlichkeit und publizierte, wo er konnte. Aber in diesem Falle nicht. Bartels bat Ferdinand Beneke, den Oberaltensekretär, möglichst keine offiziellen Erklärungen für das Bürgerschaftspräsidium anzufordern. Er wollte wohl keine Spuren in Protokollen und Archiven hinterlassen. Dr. Beneke allerdings war dafür nicht der richtige Ansprechpartner. Collegio mitzuteilen, aber meine gegenteilige Ansicht geltend zu machen,[24] schrieb er ungerührt an den Rand. Er war gegen die Legalisierung des Lasters.
Aber selbst Reformer und Verbesserer verhielten sich vorsichtig und wollten den Eindruck vermeiden, die Prostitution sei ein legal anerkanntes Phänomen des Gemeinwesens. Alles was dem Laster der Liederlichkeit fruchtet, äußerte Abendroth 1825 in etwas fragwürdigem, aber gereimtem Latein, ist gewissermassen als ex lex angesehen, deshalb hatten die Prätoren eine so grosse Gewalt über diese Frauenzimmer; wenn auch die Praxis in dieser Hinsicht milder geworden ist, so scheint es mir doch nicht rathsam da man nicht wissen kann welche Folgen dies haben kann, diese Frauenzimmer durch ein Gesez unter das Gesez zu bringen.[25] Trotz kerniger Rede des Chefs verhielt sich die Polizei aber eher nachsichtig. 1826 registrierte die Statistik nur 82 Mal Nächtliches Umhertreiben feiler Dirnen.[26] Das konnte nur bedeuten, dass die Polizei in den meisten Fällen wegsah.
Damit allerdings öffnete sich für den Polizeisenator eine moralische Flanke. Die politische Klugheit empfahl die pflegliche Behandlung des moralischen Sentiments und so gründete Abendroth dann 1822 doch noch mit einiger Verspätung das Magdalenenstift für gefallene Mädchen,[27] wo das bürgerliche Vorurteil und die bürgerliche Philanthropie gleichermaßen bedient wurden. Es dürfte dem realistischen Senator nicht verborgen geblieben sein, dass in diesem Institut die Zahl der wohltätigen Damen und Herren (neun) fast die Zahl der gefallenen Mädchen erreichte (maximal zwölf). Im wahren Leben stellte sich dieses Zahlenverhältnis bekanntlich etwas anders dar, wie Senator Bartels bei seinen nächtlichen Exkursionen herausgefunden hatte. Trotz gemischter Erfolge des neuen Stifts[28] erzielte sein Gründer in der Presse den erwünschten medialen Erfolg. Der Himmel segne den Stifter desselben, unsern hochverehrten Senator Abendroth, … für die Beharrlichkeit, womit er seinen herrlichen Plan verfolgt![29] Das Morgenblatt für gebildete Stände zeigte sich befriedigt –und Senator Abendroth konnte fortfahren, das Laster vorsichtig in die Legalität zu überführen.
Die Abkürzungen StAHH, StAB und StACux beziehen sich auf Bestände der Stadt- und Staatsarchive von Hamburg, Bremen und Cuxhaven; die Fußnoten auf die Literaturliste.
[1] Beneke: Tagebücher, 26.2.–28.2.1811.
[2] Beneke: Tagebücher, 26.2.1811.
[3] Beneke: Tagebücher, 21.5.1812.
[4] Der Ausdruck stammt von Heinrich Heine: Die Harzreise, http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/searchengine/werke/baende/D06/enterdha?pageid=D06S0134&bookid=D06&lineref=Z19&mode=2&textpattern=giftreichen%20welschland&firsttid=0&widthgiven=30, abgerufen 3.6.2019.
[5] Bartels: Briefe, Bd. 1, S. 147f.
[6] StAHH, Senat Cl VII Lit Da No 2 Vol 6a Fasc 21, Übersicht über die Hamburger Gefängnisse 1830, vorgelegt von Bartels.
[7] StAHH, Senat Cl VII Lit Mb No 2 Vol 6a Dok 1, Memorandum Abendroths, März 1822.
[8] StAHH, Senat Cl VII Lit Mb No 2 Vol 6a Dok 1, Memorandum Abendroths, März 1822.
[9] StAHH, Senat Cl VII Lit Mb No 2 Vol 6a Dok 1, Memorandum Abendroths, März 1822.
[10] Zur Kleinkriminalität als Teil der Kultur der Armut vgl. auch Evans: Tod, S. 409–413.
[11] Abendroth: Wünsche, S. 70f.
[12] StAH, Senat Cl VII Lit Qa No 3 Vol 12 Fasc 38d Dok 1, von Abendroth unterzeichneter Antrag des Armenkollegiums an den Senat, 5.3.1806.
[13] StAH, Senat Cl VII Lit Qa No 3 Vol 12 Fasc 38d Dok 2, Vortrag Bartels‘ im Senat, 5.3.1806.
[14] StAH, Senat Cl VII Lit Bc No 7b Fasc 6a Dok 11, Vortrag Abendroths im Senat, o.D., wohl 1802.
[15] Lippert: Prostitution, S. 22-25.
[16] StAH, Senat Cl VII Lit Lb No 28a2 Vol 13 Dok 19, Memorandum Hudtwalckers, 5.7.1825.
[17] Buek: Handbuch, S. 253.
[18] Hamburg und Altona, 1. Jahrgang, 4. Bd., 1802, S. 299.
[19] StAH, Bürgerliche Kollegien A2 Mappe 15 Anlage 75, Bartels an Beneke, 3.6.1818.
[20] StAH, Bürgerliche Kollegien A2 Mappe 15 Anlage 75, Bartels an Beneke, 3.6.1818. Die Zahlen variierten erheblich. Neddermeyer: Statistik, S. 561, nimmt 700 an.
[21] StAH, Bürgerliche Kollegien A2 Mappe 15 Anlage 75, Bartels an Beneke, 3.6.1818.
[22] Anderson, Lappenberg: Sammlung, Bd. 5, S. 252f.
[23] StAH, Bürgerliche Kollegien A2 Mappe 15 Anlage 75, Bartels an Beneke, 3.6.1818.
[24] StAH, Bürgerliche Kollegien A2 Mappe 15 Anlage 75, Bartels an Beneke, 3.6.1818.
[25] StAH, Senat Cl VII Lit Lb No 28a2 Vol 13 Dok 24, Memorandum Abendroths, 24.11.1825.
[26] Neddermeyer: Statistik, S. 510.
[27] Hübbe/Plath: Ansichten, Bd. 2, S. 299-302.
[28] Hübbe/Plath: Ansichten, Bd. 2, S. 301.
[29] Morgenblatt für gebildete Stände, 9.1.1822.



